6. Übung (zuhören ohne Bewertung)

Thema: Sympathie, Antipathie und Empathie
 
Zitat: „Verschieben Sie Ergebnisdenken und lösungsorientiertes Denken auf später. Erst die Verbindung zum Gegenüber schafft die Grundlage für Lösungen - Empathie geht vor Wissen.“ (Marshall B. Rosenberg)
 
Beispiel: Sandra zu ihrer Freundin Mariana: „Ich muss Dir unbedingt etwas erzählen. Ich bin noch ganz aufgebracht.“ Mariana: „Ja erzähl mal.“ Sandra: „Gestern als die Kinder im Bett waren, habe ich mich mit meinem Mann über unseren anstehenden Urlaub ausgetauscht. Ich möchte an die Ostsee fahren - einfach nur ausspannen und nichts tun. Und mein Mann will eine Städtereise machen. Stell Dir das mal vor. Er sagt, er langweilt sich sonst mit uns und braucht endlich mal Kultur und Abwechslung.“ Mariana: Nein, das gibt es doch nicht. Er kann doch nicht sagen, dass er sich mit Euch langweilt.“ Sandra: „Nein das ist es noch nicht mal. Es ist die Tatsache, dass er doch wissen muss, dass ich einfach mal Ruhe brauche. Er bespaßt doch nicht die Kinder. Das bin ich ja immer.“ Mariana: „Ja, das kenne ich auch. Mein Mann ist da auch nicht viel besser. Er entscheidet einfach allein, welche Pflanzen bei uns im Garten stehen.“ Sandra: „Ich habe schon überlegt, ob ich mit den Kindern alleine an die Ostsee fahre.“ Mariana: „Das hat eine Bekannte von mir letztes Jahr auch gemacht. Sie ist dann mit den Kindern nach Schweden gefahren und hat den Mann zu Hause gelassen.“ Sandra: „Aber eigentlich will ich das gar nicht.“ Mariana: „Das ist doch gar nicht so schlimm. Nachher wirst Du sagen, das war besser so. Ach, was ich Dir letztens schon mal sagen wollte: Mit Dir sind die Gespräche echt schön.“
 
Information: Einer Sympathie oder Antipathie für und gegen andere Menschen gehen immer Bewertungsprozesse voraus. Es ist ein eher unbewusst stattfindender Prozess. Das Gegenüber wird als sympathisch oder als unsympathisch interpretiert. Jeder Mensch löst durch das, was er erzählt und auch dadurch, wie er es erzählt, beim Zuhörer einen Bewertungscocktail aus, der mit dessen speziellen Erfahrungen und den aktuellen Gedanken darüber verbunden ist. Es kommt zu einer Vermischung fremder und eigener Themen - ausgelöst durch den Gesprächspartner. Man mag sich, weil das Erzählte „stimmig“ ist mit eigenen Erfahrungen und Bewertungen oder man möchte sich lieber aus dem Weg gehen, weil „es nicht passt“.
Das „Empathie geben wollen“ hingegen ist im Gegensatz zur Sympathie und Antipathie eine bewusste Entscheidung aufgrund eigener Bedürfnisse. Man entscheidet sich für eine empathische Haltung, um beizutragen, in Verbindung zu kommen oder Klarheit zu erlangen. Bei der Empathie geht es darum, dass man sich ganz im „Hier und Jetzt“ mit den Gefühlen und Bedürfnissen des Gegenübers verbindet. Man bleibt mit seiner ganzen Präsenz beim Anderen. Eigene Themen werden hinten angestellt. Es ist eine enge, auf den Anderen fokussierte Verbindung auf Zeit.
 
Zum „Sofort-Üben“: Wie könnte es sich anhören, wenn Mariana sich für Empathie entscheiden würde? (Unser Vorschlag steht am Ende der Mail.)
 
Wochenaufgabe: Der Empathieprozess verlangt bestimmte Voraussetzungen. Nehmen Sie sich einmal Zeit, um herauszufinden, welche Rahmenbedingungen für Sie hilfreich sind, damit Sie Ihre Kraft und Konzentration für Empathie aufrecht erhalten. In welchen Momenten fällt es Ihnen schwer, nicht in eigene Themen und Geschichten abzugleiten?
 

Unser Vorschlag: Der Dialog könnte auch so verlaufen: Sandra zu ihrer Freundin Mariana: „Ich muss Dir unbedingt etwas erzählen. Ich bin noch ganz aufgebracht.“ Marina: „Ja erzähl mal.“ Sandra: „Gestern als die Kinder im Bett waren habe ich mich mit meinen Mann über unseren anstehenden Urlaub ausgetauscht. Ich möchte an die Ostsee fahren - einfach nur ausspannen und nichts tun. Und mein Mann will eine Städtereise machen. Stell Dir das mal vor. Er sagt, er langweilt sich mit uns und braucht endlich mal Kultur und Abwechslung.“ Mariana: „Du bist noch ganz aufgebracht, wenn Du Dich nur daran erinnerst?“ Sandra: „Na klar, es endete gestern in einem richtigen Streit. Er hat einfach nicht verstanden, weshalb ich die Ruhe und das Nichtstun brauche.“ Mariana: „Und jetzt bist Du frustriert und ratlos, weil Du gerne verstanden werden möchtest?“ „Na klar. Ich möchte doch gerne mit meinem Mann unterwegs sein. Mir ist Familie doch ganz wichtig. Und ich brauche einfach Erholung. Ich kann einfach nicht mehr.“ Mariana nickt und schaut ihrer Freundin in die Augen. Sandra: „Was soll ich nur machen. Ich hatte überlegt, ob ich alleine fahren soll. Aber ich möchte das nicht wirklich. Ich kann ihn ja auch verstehen. Er sitzt immer am Schreibtisch. Seine Arbeit ist eintönig. Da will er mal Abwechslung. Etwas erleben. Er hat ja nur seinen Urlaub dafür.“ Mariana: „Dir ist auch die Verbindung zu Deinem Mann wichtig?“ Sandra schaut auf: „Na klar doch. Ich liebe ihn ja.“ Sie weint: „Weiß Du was, Mariana? Ich werde mich mit ihm nochmal gemeinsam hinsetzen und sprechen. Vielleicht finden wir ja eine gemeinsame Lösung. Ach, übrigens, Mariana. Es hat mir gut getan, dass ich das mal loswerden konnte. Danke Dir dafür.“